MÜHLEN

Der Windmüller

Der Alltag des Windmüllers war nicht frei von Sorgen. Viele der heute noch vorhandenen Windmühlen sind von Häusern umgeben, aber das war nicht immer so. Früher standen Windmühlen immer etwas abseits eines Dorfes, da sie möglichst frei stehen mußten. Müller hatten damals keinen besonders guten Ruf. Sie lebten in ihrer Mühle oder in einem Nebengebäude abseits des Dorfes und galten daher oft als Außenseiter. Keiner konnte ihre Arbeit einsehen oder kontrollieren und ihnen wurde oft Unehrlichkeit nachgesagt, vor allem ob der Müller sich seinen zustehenden Anteil an Mehl genommen hat oder vielleicht nicht doch mehr.


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Die Bütte mit dem Mahlstein
(Windmühle Krokau)


Der Müller hatte keine festen Arbeitszeiten. Er konnte und mußte arbeiten, wenn genug Wind weht, dass der Mahlstein angetrieben werden konnte. So kam es vor, dass er auch nachts arbeitete, wenn die anderen in ihren Betten lagen. Ein alter Lehrlingsspruch lautet: "Das Müllerleben hat Gott gegeben, doch das Mahlen des Sonntags und in der Nacht, das hat der Teufel hinzugebracht". So kam es auch vor, dass ein Müller in jüngeren Jahren am Wochenende früh morgens von einer Tanzparty zurückkam und anschließend gleich in die Mühle zum Arbeiten ging, wenn nach tagelanger Windstille endlich wieder Wind wehte.

In einem hatte der Müller aber eine sichere Position: Er galt als guter Wetterprophet. Im Laufe seines Arbeitslebens hatte er sehr viele Erfahrungen gesammelt, was das Wetter anging, denn damals gab es keine Wettervorhersagen.

Der Müller mußte neben dem Mahlen des Getreides auch seine Mühle instandhalten. Kleinere Reparaturarbeiten erledigte er meist selber. Bei größen Dingen wurde ein Mühlenbauer hinzugezogen. Sofern die Mühle Segelgatterflügel besaß, mußte der Müller die Flügel einzeln besteigen und besegeln.

Besonders einsam gelegene Mühlen konnten von Räuberbanden überfallen werden. Diese lebten in dichten Wäldern und zogen sich immer wieder dorthin zurück. Sie benutzten manchmal aber auch die überfallene Mühle eine Zeit lang als Versteck. Besonders der "Kropperbusch" in Mittelholstein war in Bezug auf Räuberbanden bekannt und gefürchtet.

Ausgebildet wurden die Müllergesellen in einer oder mehreren Mühlen. Nach Ende ihrer Lehrzeit gingen die freigesprochenen Müllergesellen auf Wanderschaft und zogen von einer Mühle zur nächsten, um dort nach Arbeit zu fragen. Der Müller entschied über den Antrag des Gesellen. Wenn es keine Arbeit gab, durfte der Geselle am Mittagessen teilnehmen und eine Nacht an der Mühle bleiben. Am nächsten Tag zog er weiter. Gab es Arbeit blieb er, was je nach Arbeitsanfall unterschiedlich lange sein konnte. Manchmal gab es nur Arbeit für Tage oder Wochen. Danach zog der Müllergeselle wieder weiter. So sammelte er im Laufe der Zeit immer mehr an Wissen und Erfahrung. Irgendwann ergaben sich auch langjährige Arbeitsverhältnisse und der Geselle wurde später selbst Meister und konnte die Mühle durch Kauf oder Pachtung übernehmen.

Der Müllergeselle wohnte üblicherweise im Haus des Müllers, wo er ein kleines Zimmer hatte. In diesem stand ein Bett, das manchmal nur aus einer Strohmatratze bestand, ein Schrank sowie ein Tisch zum Arbeiten und Lesen und ein Holzofen zum Heizen. Für seine Arbeit bekam der Müllergeselle Unterkunft und Essen, und dazu ein kleines Taschengeld. Der Arbeitstag hatte meist 10 bis 12 Stunden. Neben dem Malen mußte er auch ständig die Mühle sauberhalten, d. h. von oben bis unten ausfegen. Sauberkeit war wichtig, denn ansonsten konnten sich Schädlinge (Milben) und anderes Ungeziefer in der Mühle ausbreiten.

Für seine Arbeit stand dem Müller ein Lohn zu, den man als Matte bezeichnet. Dieser umfaßte einen gewissen Bruchteil des vom Kunden gemahlenen Korns. Die genauen Maße waren nicht einheitlich, sie konnten z. B. 1/13 oder 1/16 pro Tonne gemahlenen Korns betragen. Zur Entnahme wurde ein geeichtes Gefäß benötigt, das Mattgefäß, welches aus einem Topf mit einen Stiel bestand. Der Müller nahm sich damit seinen Anteil an Mehl. Durch Verkauf dieses Mehls konnte er seinen Anteil zu Geld machen. Weiterhin mußte er von seinen Einnahmen auch die Pacht der Mühle bezahlen.

Glück zu hieß und heißt auch heute noch der Müllergruß. Denn Glück brauchte der Müller besonders, war er doch in seiner Mühle ständig verschiedenen Gefahren ausgesetzt. Dazu zählt Bruchgefahr durch Sturm, Blitzschlag, Brand durch überhitzte Bremsen oder (bei Segelgatterflügel) Absturzgefahr beim Besegeln der Flügel sowie gebrochene Mahlsteine. Wenn ein Mahlstein bricht, was z. B. durch zu hohe Drehzahl passieren kann, fliegen die zerbrochenen Teile wie Geschosse weg. Manchmal kam es zu Unfällen, wenn ein Geselle in die drehenden Räder gezogen wurde und zerquetscht wurde. Auch die drehenden Flügel sind eine große Gefahr, wenn man von ihnen getroffen wird. Weidetiere und auch manchmal Menschen sind von ihnen erschlagen worden.


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Der Müllergruß
(Windmühle Krokau)


Bekannt geworden ist der Fall vom 9. Februar 1869 in der Windmühle Kelsterbach in Hessen. Die Müllerin war alleine zu Hause, als ein Wintersturm mit Gewitter tobte und sich in der Mühle die Bremse des Kammrades löste. Sie ging in die Kappe der Mühle hinauf, um das Kammrad zu sichern. Dabei geriet sie mit ihrem Kleid in die Zähne des sich drehenden Kammrades. Sie wurde in die Räder gezogen und anschließend ihr Schädel zerquetscht, was den sofortigen Tod zur Folge hatte.



Flügelsprache

Durch Stellung der Mühlenflügel konnte der Müller verschiedene Aussagen machen. Stehen die Flügel z. B. in einer Schere (45 Grad) bedeutet dies, dass die Mühle momentan nicht in Betrieb ist (Feierabend oder Urlaub) und der Kunde braucht sich nicht dort hin zu bemühen.


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1. Tagesarbeit ist beendet oder Pause
Bei Segelgatterflügel mit gesetzten Segeln: Es ist gerade keine Arbeit da und Kunden werden sofort bedient.

2. Feierabend oder Mühle ist nicht in Betrieb. Das ist die normale Ruhestellung.

3. Freudenschere: Feier in der Familie des Müllers.

4. Trauerschere: Trauerfall in der Familie des Müllers.

Bei Gewitter wurden die Flügel oft in die Schere gestellt, weil der höchste Punkt dann etwa 2 Meter niedriger ist als im Kreuz; in der Hoffnung dass der Blitz nicht einschlägt.


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